Deutsche Redaktion

"Personelle Veränderungen im Kreml sind ein schlechtes Zeichen für Polen"

15.05.2024 17:43
Die NATO sollte sich auf das Schlimmste vorbereiten, meint der ehemalige Geheimdienst-Analyst Robert Cheda. Außerdem: Wie viele Polen wären bereit, ihr Land mit Waffe in der Hand zu verteidigen? Und: Die Wähler nehmen dem Premierminister die Anschuldigungen gegen die Opposition über deren Kremlnähe nicht ab. 
Rosyjski dyplomata zmarł w niewyjaśnionych okolicznościach. Brak zgody na autopsję
Rosyjski dyplomata zmarł w niewyjaśnionych okolicznościach. Brak zgody na autopsjęShutterstock/Padukov Alexey

Forsal: Personelle Veränderungen im Kreml sind ein schlechtes Zeichen für Polen

Am Sonntag hat Wladimir Putin beschlossen, bedeutende Veränderungen in seiner neuen Regierung vorzunehmen. Einige davon seien ein klares Signal an Polen und seine Verbündeten. Die NATO sollte sich auf das Schlimmste vorbereiten, meint der ehemalige Geheimdienst-Analyst Robert Cheda in einem Interview mit dem Online-Portal Forsal. Vor allem der Rücktritt von Sergej Schojgu komme überraschend. Er habe 12 lange Jahre an der Spitze des russischen Verteidigungsministeriums gestanden. Unter ihm seien zahlreiche Gräueltaten an der Front verübt worden. Und er habe die russischen Streitkräfte auf weitere Offensiven in der Ukraine vorbereitet, so Cheda.

Schoigus Position im Kreml, lesen wir weiter, habe als unantastbar gegolten. Putin habe aber beschlossen, die russische Machtelite neu zu ordnen, und der langjährige Minister habe plötzlich seinen Posten verloren. Es handle sich jedoch nicht um einen Rücktritt nach russischer Sitte, so Cheda. Putins bisheriger enger Mitarbeiter werde nicht in einem Gulag landen, sondern zum Sekretär des russischen Sicherheitsrates befördert. Seinen Platz wiederum übernehme der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Russlands, Andrej Belousow.

Dem Experten zufolge sei diese scheinbar unschuldige Personalentscheidung ein deutliches Signal dafür, dass sich in Russland ab jetzt vieles ändern werde.

Die Entlassung von Schoigu und die Ernennung von Belousow seien mit der Korruption in der Armee verbunden. Die Hauptaufgabe des neuen Verteidigungsministers werde somit darin bestehen, diese zu beseitigen. Als Ökonom, der sich recht erfolgreich gegen die westlichen Sanktionen gewehrt habe, soll Belousow der Garant dafür sein, dass dieses Manöver gelinge.

Das Ausmaß der Missbräuche in der Armee sei nämlich auch während des Krieges mit der Ukraine geradezu schockierend, erklärt der ehemalige Analyst des auf den Osten spezialisierten Geheimdienstes. Seine Aufgabe werde es sein, das Geld effektiv auszugeben, damit die Armee nicht zu viel klaue. Dort liege jetzt nämlich das Haupteinkommen Russlands - 7 Prozent des BIP.

Putins Personalentscheidungen, so Cheda weiter, mögen für Russland selbst von Vorteil sein. Für die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten seien sie jedoch ein schlechtes Omen. Sollte es Belousow gelingen, die allgegenwärtige Korruption einzudämmen und die russische industrielle Kriegsmaschinerie effizienter auszunutzen, werde dies sicherlich bald an der ukrainischen Front zu spüren sein. Der Experte blickt jedoch etwas weiter in die Zukunft und warnt davor, dass ein solcher Wandel einen klaren Kurs für die russische Politik für die kommenden Jahre bedeuten werde. Für Polen sei das eine schlechte Nachricht. Sie würde bestätigen, dass Putin sich auf einen Dauerkrieg vorbereite. Einen sehr langwierigen Konflikt, der sich nicht nur auf die Ukraine beschränken könnte. Die Mobilisierung der russischen Reserven in Verbindung mit den unwirksamen westlichen Sanktionen bedeute, dass die Russen die Ukraine wirtschaftlich unterdrücken wollen. In diesem Fall werde die Unterstützung des Westen zusammenbrechen. Er könne schließlich nicht unbegrenzt Geld in die Ukraine pumpen. Auf diese Weise würde es Frieden nur zu russischen Bedingungen geben. Moskau könnte sich dann auf weitere Aggressionen vorbereiten, lautet Robert Chedas Fazit im Gespräch mit Forsal.

Dziennik/Gazeta Prawna: Die Polen haben keine Lust, ihr Land  gegen Russland zu verteidigen

Angesichts des seit mehr als zwei Jahren andauernden Krieges in der Ukraine und der wachsenden Bedrohung der nationalen Sicherheit ist der Ausbau der Streitkräfte eines der Hauptthemen in Polen. Doch wie viele Polen sind überhaupt bereit, die Grenzen ihres Landes zu verteidigen? Wie viele würden zu den Waffen greifen? Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage geben wenig Anlass zu Optimismus, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna.

Laut der Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CBOS, lesen wir, haben nur wenige Polen Interesse daran, die polnischen Grenzen im Falle einer bewaffneten Aggression durch Russland physisch zu verteidigen. 20 Prozent der Befragten würden sich an einen sicheren Ort zurückziehen, während ein Großteil der Bevölkerung versuchen würde, den Ausbruch eines Krieges zu ignorieren. Lediglich 14 Prozent der Befragten äußerten die Bereitschaft, die polnischen Grenzen bewaffnet zu verteidigen. Diese Gruppe könnte mit einer gewissen Unterstützung durch 30 Prozent der Bevölkerung rechnen, die zwar Hilfsaktionen zur Verteidigung des Landes unterstützen, sich jedoch nicht direkt an Kämpfen beteiligen würde.

Ein ähnlicher Mangel an Bereitschaft, die Grenzen des eigenen Landes zu verteidigen, sei auch in vielen anderen westeuropäischen Ländern zu beobachten, so das Blatt weiter. Es sei daher nicht verwunderlich, dass einige Länder beschlossen hätten, die Wehrpflicht wieder einzuführen, wie es in Litauen, Lettland und Dänemark der Fall ist. Auch Deutschland erwäge diesen Schritt.

In Polen sei die Wehrpflicht 2009 ausgesetzt worden. Auch nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hätten die Politiker sich bisher dagegen entschieden, sie wieder einzuführen. Stattdessen hätten sie vor allem auf die Freiwilligenarmee gesetzt und versucht, Kandidaten mit immer höheren Gehältern zu gewinnen. Einige Experten bezweifeln jedoch, dass dies der richtige Weg sei. Der ehemalige Befehlshaber der Landstreitkräfte, General Waldemar Skrzypczak, ist der Meinung, dass es ein Modell geben muss, das die Polen zur Verteidigung ihres Heimatlandes verpflichtet. Die Bürger lediglich finanziell zur Verteidigung zu motivieren, sei nicht besonders patriotisch, so der General im Gespräch mit Dziennik Gazeta Prawna.

Rzeczpospolita: Polen stimmen mit Tusks Bezeichnung der PiS als „Verräter und Vasallen Russlands“ nicht überein

Die liberal-konservative Tageszeitung berichtet über die Haltung der Polen zu den Äußerungen des Premierministers, der die größte Oppositionspartei beschuldigte, für den Kreml zu arbeiten. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS stimmt die Mehrheit der Befragten nicht mit dem Premierminister überein. Die Ergebnisse zeigen, dass nur etwa 30 Prozent der Befragten die Ansicht des Regierungschefs teilen, während 60 Prozent anderer Meinung sind. Fast 10 Prozent äußerten keine Meinung zu diesem Thema. Unter den Wählern der Regierungspartei (PO) stimmen fast 80 Prozent Donald Tusk zu. Die Linke scheint sich ähnlich zu positionieren: Etwa 60 Prozent ihrer Wählerschaft beurteilen die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als russlandfreundlich. Bei den Wählern des Dritten Weges finden nur 13 Prozent die Aussagen des Ministerpräsidenten zutreffend.

Die Mehrheit der Befragten zeige somit ein ausgeprägtes Bewusstsein. Die Polen würden Tusk seine Rhetorik über seinen politischen Gegner als einen russischen Agenten nicht abkaufen, kommentiert der Politologe Antoni Dudek die Umfrage. Die Mehrheit halte solche Anschuldigungen für absurd. Früher sei es Oppositionsführer Jarosław Kaczynski gewesen, der Tusk als russischen Agenten bezeichnete. Nach Ansicht des Experten sind jedoch weder die PO noch die PiS russische Parteien.

Wie das Blatt erinnert, plane die Regierung jetzt die Einrichtung einer Kommission, die den Einfluss Russlands und Belarus auf die polnische Politik untersuchen soll. Nach Angaben des neuen Innenministers soll die Kommission aus Experten unter der Aufsicht des Justizministers bestehen und nicht aus politischen Funktionären. Der ehemalige Chef der als „Lex Tusk“ bekannten Kommission zur Untersuchung russischer Einflüsse unter der Vorgängerregierung unterstützt diese Idee. Professor Slawomir Cenckiewicz betont, dass die Sonderdienste oft nicht in der Lage sind, ausländische Einflüsse zu untersuchen und aufzudecken, da sie von Politikern kontrolliert werden. Er erinnert daran, dass Länder mit einer höheren Kultur der Spionageabwehr und effizienteren Diensten, wie Frankreich oder Kanada, ihre eigenen Kommissionen zur Untersuchung der russischen Einflussnahme haben.

Professor Dudek hingegen stimmt mit Cenckiewicz nicht überein. Er hält die Idee, die von ihm als Phantom bezeichnete Kommission zu reaktivieren, für grotesk. Nach Dudek glauben die Polen nicht an Kommissionen, aus denen politisch sowieso nichts resultiere. Laut dem Politologen wäre es besser, die Strukturen des Staates zu stärken. Kommissionen führen nur zu „politischer Hysterie“, urteilt Dudek abschließend im Gespräch mit der Rzeczpospolita.

Autor: Piotr Siemiński










Rzeczpospolita: Polen bewerten Tusks Worte über die PiS als „Verräter und Vasallen Russlands“ als falsch

Die liberal-konservative Tageszeitung schreibt über die Einstellung der Polen zu den Aussagen des Premierministers, der die größte Oppositionspartei beschuldigt habe, ein Verräter zu sein, der für den Kreml arbeite. Die Mehrheit der Befragten einer IBRiS-Umfrage stimme demnach nicht mit dem Premierminister überein. Die Umfrage zeige, dass nur knapp 30 Prozent der Befragten die Meinung des Regierungschefs teile. 60 Prozent seien anderer Ansicht. Fast 10 Prozent hätten keine Meinung dazu. Unter den Wählern der Regierungspartei (PO) würden fast 80 Prozent mit Donald Tusk übereinstimmen. Die Linke sei sich eher einig: knapp 60 Prozent ihrer Wählerschaft beurteile die Partei Recht und Gerechtigkeit als russlandfreundlich. Unter den Wählern des Dritten Weges würden nur 13 Prozent die Worte des Ministerpräsidenten richtig finden.

Die Mehrheit der Befragten weise somit ein großes Bewusstsein auf. Die Polen würden Tusk seine Rhetorik über dessen politischen Gegner als einen russischen Agenten nicht abkaufen, kommentiert der Politologe Antoni Dudek die Umfrage. Die Mehrheit sei sich bewusst, dass solche Anschuldigungen absurd seien. Früher sei es Oppositionsführer Jarosław Kaczynski gewesen, der Tusk zu einem russischen Agenten machte. Geht es nach dem Experten, seien aber weder die PO noch die PiS russische Parteien.

 

Wie wir weiter im Blatt lesen, plane die Regierung jetzt eine Kommission, die den Einfluss Russlands und Belarus auf die polnische Politik untersuchen soll. Nach Angaben des neuen Leiters des Innenministeriums werde die Kommission aus Experten unter der Aufsicht des Justizministers und nicht aus politischen Funktionären bestehen. Der ehemalige Leiter der als „Lex Tusk“ bekannten Kommission zur Untersuchung des russischen Einflusses in Polen der Vorgängerregierung unterstütze diese Idee, heißt es weiter im Blatt. Professor Slawomir Cenckiewicz betone, dass die Sonderdienste aufgrund ihrer Kontrolle durch Politiker oft nicht in der Lage wären, ausländische Einflüsse zu untersuchen und aufzudecken. Wie der Historiker erinnert, hätten aber Länder mit einer höheren Kultur der Spionageabwehr und effizienteren Diensten wie Frankreich oder Kanada ihre eigenen Kommissionen zur Untersuchung der russischen Einflussnahme.

Prof. Dudek wiederum stimme hier mit Professor Cenckiewicz nicht überein. Die Idee, die von ihm als Phantom bezeichnete Kommission zu reaktivieren, sei grotesk. Dudek nach würden Polen nicht an Kommissionen glauben, aus denen politisch sowieso nichts resultiere. Geht es nach dem Politologen, wäre es besser, die Strukturen des Staates zu heilen. Kommissionen würden nur zu „politischer Hysterie“ führen, urteilt Dudek am Schluss im Gespräch mit der Rzeczpospolita.